Rez. CD-ROM: Ebneth ueber "Deutscher Biographischer Index (DBI)"

Titel
Deutscher Biographischer Index (DBI)..


Herausgeber
K.G. Saur Verlag
Erschienen
München 1998: K.G. Saur
Anzahl Seiten
Preis
980.00 DM
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ebneth, Dr. Bernhard, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Muenchen

Eine klare Orientierung über die Fülle historisch-biographischer Informationsmittel (1) wird bei einer rasch wachsenden Zahl von Publikationen sowie zunehmender Differenzierung und Spezialisierung immer schwieriger. Jede Kumulation und Digitalisierung (2), die zu verbesserten Zugriffsmöglichkeiten führt, erfüllt daher ein Desiderat der Wissenschaft ebenso wie einer breiteren interessierten Öffentlichkeit.

Wilfried Enderle hat in diesem Forum bereits die CD-ROM-Edition des 'Internationalen Biographischen Index' (World Biographical Index = WBI, 4. Ausgabe 1998, inzwischen 6. erweiterte Ausgabe 1999) und die zugrundeliegenden sog. 'Biographischen Archive' eingehend vorgestellt. (3) Die hier anzuzeigende CD-ROM des 'Deutschen Biographischen Index' (= DBI) (4) ist in der Datenbankstruktur und in der Retrievalsoftware mit dem WBI identisch, allerdings wurde der Datenbestand des WBI von ca. 2,5 Mio. auf ca. 450.000 Namen reduziert. Der Inhalt entspricht der in acht Bänden gedruckten Fassung des DBI (1998).

Von der technischen Seite her ist den Ausführungen von W. Enderle eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Systemvoraussetzungen sind dieselben wie beim WBI. Ein Manual oder eine Dokumentation werden beim DBI nicht mitgeliefert, sind allerdings auch kaum nötig, da die Menüfunktionen sich weitestgehend von selbst erklären und umfassende Hilfeoptionen zur Verfügung stehen.

Bei Direkteingabe der Suchbegriffe muß man einige Erfahrungen sammeln, in welcher Form diese am besten zu geeigneten Resultaten führen. Benutzerfreundlicher und weniger gewöhnungsbedürftig ist die Recherche mit Hilfe der Indizes.

Nach dem Start erscheint eine übersichtliche Maske u.a. mit den Optionen "Suchen", "Index" und "Hilfe". Da in den meisten Fällen wohl zunächst einzelne Namen gesucht werden, wählt man am besten die allgemeine Option "Suche", wobei eine biographische und eine bibliographische Suchmaske neben dem Expertenmodus als Standardoptionen angeboten werden. Die erste Suchmaske enthält die Rubriken "Name", "Geschlecht", "Geburts-, Sterbe- und Erwähnungsjahr", "Beruf", "Berufscode" (also eine Klassifizierung nach Berufsgruppen), "Archiv" (wobei hier nur die Deutschen Biographischen Archive = DBA I und II zur Auswahl stehen) und "Quelle" (also die in der Mikrofiche-Edition reproduzierten Nachschlagewerke) (5). Die zweite Maske ermöglicht u.a. Einträge zur "Quelle" bzw. zum "Archiv". "Bibliogr." indiziert die in den Titeln vorkommenden Wörter und Zahlen. Alle Suchbegriffe können beliebig mit "und" sowie "oder" kombiniert werden, so daß kaum Wünsche offen bleiben.

Der folgende Kommentar kann sich somit wegen der technischen Analogie zum WBI stärker auf die inhaltliche Seite konzentrieren. Der Klappentext verspricht "über 450.000 informative Kurzbiographien". Die biographischen Daten der CD-ROM beschränken sich allerdings zu jedem Namen auf Lebensdaten, eine Berufsangabe und die "Quelle". Die eigentlichen, mehr oder minder ausführlichen Informationen sind erst in den zugrundeliegenden Lexika bzw. auf den Mikrofiches des DBA zu finden. Nur dort, wo dieselben unmittelbar neben dem CD-ROM-Arbeitsplatz verfügbar sind, ergeben sich optimale Nutzungsmöglichkeiten.

Insgesamt wurden 565 biographische Nachschlagewerke mit Erscheinungsjahren zwischen 1712 (Paullini) und 1991 (NDB) kumuliert. Die Angabe "frühes 17. Jahrhundert bis Ende 1950" ist nur teilweise zutreffend. Aus den Lexika, Lebensbilderreihen usw. wurden z. B. fünf "Berühmte Entdecker und Forscher" (1947) bis hin zu mehr als 45.000 Namen (Thieme-Becker) übernommen.

Die 10 größten der herangezogenen Lexika (Thieme-Becker 45.435 Namen; ADB 28.786; NND 27.258; Hamberger-Meusel 19.563; Jöcher-Adelung 18.074; Wurzbach 17.383; HBLS 14.339; Wer ist's 1955 14.277; NDB 13.450; Kürschner, Literatur-Kalender 13.186) enthalten mit mehr als 170.000 Namen etwa 38 % des DBI-Gesamtbestands. Daneben sind weitere, teils seltene Werke erschlossen.

Zur Ergänzung wurden offensichtlich auch Informationen aus anderen (noch) nicht im DBA enthaltenen Vorlagen herangezogen. Z. B. sind im DBI auch Sterbejahre von Heinrich Böll (1917-1985), Franz Josef Strauss (1915-1988), Willy Brandt (1913-1992), Hermann Abs (1901-1994), Elias Canetti (1905-1994), Adolf Friedrich Butenand (1903-1995), Konrad Zuse (1910-95), Hermann Kesten (1900-1996) und Rolf Rodenstock (1913-1997) zu finden, welche nicht den zitierten "Quellen" zu entnehmen sind. Überraschend tauchen auch lebende Personen (z. B. Karl Otmar Frhr. v. Aretin) im DBI auf, so daß dieser teilweise weit universeller einsetzbar ist, als zunächst zu vermuten.

Indem alle Suchfelder indiziert sind, können Fehler schonungslos aufgedeckt werden. Etwas ärgerlich sind zahlreiche falsche Jahreszahlen. Zudem muß bezweifelt werden, daß die angegebene Literatur vollständig ausgewertet wurde. Es ist kein Einzelfall, daß zu "Hans Günther: Pioniere der Radiotechnik. 24 Lebensbilder, 1926" nur ein einziger Treffer angezeigt wird. Wo sind die anderen 23 Rundfunktechniker? Bei "Grosse Schweizer. 110 Bildnisse, 1938" sind 85 Treffer nachgewiesen. Fehlen auch hier 25 Namen? Die ersten sechs Bände der "Fränkischen Lebensbilder" (6) müßten bei korrekter Auswertung 96 Treffer aufweisen, also deutlich mehr als die angezeigten 30. Seckendorf, Tojacher, Wallner, Walzel und Ziegenbalg sind noch nicht im "OEBL 2" enthalten, erscheinen aber dennoch im DBI. Diese Liste kann beliebig vermehrt werden.

Die Erfassung der angegebenen Nachschlagewerke ist somit nicht vollständig. Wenn man einen Namen im DBI nicht findet, ist dies also keineswegs gleichbedeutend damit, daß er in den "Quellen" nicht berücksichtigt wäre. Für eine korrekte Information muß man daher in jedem Einzelfall weiterhin auf die ursprünglichen Vorlagen zurückgreifen. Umgekehrt sind auch Namen eingefügt, die - zumindest in der angegebenen "Quelle" - (noch) keinen Eintrag haben. Der DBI (sowohl auf CD-ROM wie in der entsprechenden gedruckten Ausgabe) weist eine nicht geringe Fehlerquote auf, welche durch die jetzt verfügbaren technischen Mittel leicht nachgewiesen werden kann. Bei der großen Menge von Namen werden sich einzelne Irrtümer wohl nie ganz vermeiden lassen, bei einer Neuauflage sollte jedoch eine Prüfung sowie eine deutliche Verbesserung der Zuverlässigkeit und Vollständigkeit angestrebt werden.

Trotzdem bleibt anzuerkennen: Die CD-ROM enthält mit einigen Kerndaten die mit Abstand größte Sammlung von historischen Personen im deutschsprachigen Raum. Für jeden, der sich in diesem Bereich rasch zu einzelnen Namen oder zu bestimmten Personengruppen informieren will, stellt der DBI ein zumindest quantitativ vorzügliches Arbeitsinstrument dar. Daraus kann auch die sich profilierende Elitenforschung Nutzen ziehen.

Interessante Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich zudem durch die Auswahl bestimmter Berufsgruppen oder bestimmter Nachschlagewerke, welche oft regionale oder thematische Abgrenzungen widerspiegeln. Allerdings gilt die Einschränkung, daß stets nur wenige und auf älterer Literatur basierende biographische Daten angeboten werden, deren Genauigkeit sorgfältig geprüft werden muß. Zudem darf nicht vergessen werden, daß aktuelle biographische Hilfsmittel und Projekte (bisher) ausgespart bleiben. (7)

Der Nutzerkreis wird in erster Linie durch den Preis des DBI beschränkt. Angesichts hoher Kosten wird z. B. ein Student mit begrenztem Etat für Bücher und EDV vom Kauf wohl Abstand nehmen. Es kommen primär Forschungseinrichtungen, Bibliotheken und Archive als Erwerber in Betracht. Für diese ist zu fragen, ob nicht der doppelt so teure WBI zweckmäßiger ist, da er immerhin eine mehrfache Datenmenge des DBI und auch für den deutschsprachigen Raum wichtige Zusatzinformationen enthält.

Da inzwischen DBA III vorliegt, sollte auch der DBI (und WBI) bald um den darin enthaltenen Kreis von Personen und Nachschlagewerken erweitert werden. Für alle Interessenten mit Internet-Anschluß stellt sich bei sinkenden Telekommunikationstarifen und höheren Datenübertragungsraten erst recht die Frage, weshalb sie den DBI käuflich erwerben sollen, denn seit 1998 ist der umfassendere WBI u. a. in Kooperation des K. G. Saur-Verlags mit der UB Braunschweig auch online (noch) kostenfrei zugänglich. (8)

Darüber hinaus gibt es im Internet neben dem DBI inzwischen ein sehr breites Spektrum weiterer historisch-biographischer Informationsmöglichkeiten (9). Eine qualifizierte Auswahl und Integration in ‚Fachportalen', wie z. B. im Rahmen des ‚History Guide' der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen oder des neuen Servers Frühe Neuzeit in München angestrebt (10), ist dringend notwendig. Wenn wir genaue und zuverlässige biographische Einzelinformationen suchen, bleiben wir auch in Zukunft noch lange auf Bücher und auf archivalische Quellen angewiesen.

Anmerkungen:
[1] Vgl. u. a. Klaus Schreiber, Biographische Informationsmittel (= Informationsmittel für Bibliotheken, IFB, Beiheft 9), für Publikationsjahre etwa von 1990 bis 1998; vgl. hierzu den virtuellen Medienserver des Bibliotheksservice-Zentrums Baden Württemberg: http://www.bsz-bw.de/depot/dokersch/4800000/4851000/4851301k.html.(20.03.2000).
[2] Zum Themenkreis der historischen Fachinformation in elektronischen Medien vgl. jetzt.http://www.vdb-online.org/kommissionen/fbgeschichte99/TB-Programm.html (1. 3. 2000 / 20. 3. 2000); speziell zu den Projekten des Digitalisierungszentrums (DMZ) der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) vgl. http://www.bsb.badw-muenchen.de/mdz/dz.htm (20.01.2000 / 20.03.2000). In Kooperation zwischen dem DMZ und der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wird derzeit auch die Digitalisierung der Gesamtregister von ADB und NDB vorbereitet. Vgl. http://www.bsb.badw-muenchen.de/mdz/ndb.htm (24.02.2000 / 20.03.2000).
[3] Vgl. http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/digital/cdrom/datenban/enwi1098.htm (30.10.1998 / 20.03.2000).
[4] Verlagswerbung hierzu http://www.saur.de/Titel/dbi.htm.(20.03.2000).
[5] Die für DBA I und DBA II ausgewerteten Nachschlagewerke sind unter http://www.saur.de/bioarch/qdba1.htm bzw. http://www.saur.de/bioarch/qdba2.htm (beide Febr. 1999 / 20.03.2000) verzeichnet. DBA III http://www.saur.de/bioarch/qdba3.htm (Okt. 1999 / 20.03.2000) ist allerdings noch nicht in dem Index enthalten. Eine Erweiterung und Aktualisierung ist wohl zu erwarten.
[6] Vgl. http://www.ndb.badw-muenchen.de/eb_franken_lebensbilder.htm (12.12.1999 / 20.03.2000).
[7] Sobald DBA III in den Index einbezogen wird, dürfte sich dieser Befund ändern. Für aktuelle biographische Lexika und Projekte vgl. u. a. http://www.ndb.badw-muenchen.de/ndb_links.htm (27.12.1999 / 20.03.2000) sowie http://www.ndb.badw-muenchen.de/Bio_Lex_digital.htm (6.12.1999 / 20.03.2000).
[8] http://www.biblio.tu-bs.de/acwww25u/wbi (27.04.1999 / 20.03.2000); allerdings sind unter Allegro-W3 gegenüber M.P.W-Lasec unter http://www.saur-wbi.de (1998 / 20.03.2000) die Retrievalfunktionen etwas beschränkt.
[9] Eine große Zahl von Links zu inhaltlich und qualitativ sehr unterschiedlichen biographischen Informationsmitteln listet der "Bibliographische[r] Werkzeugkasten" des Hochschulbibliothekszentrums des Landes Nordrhein-Westfalen unter http://www.hbz-nrw.de/hbz/toolbox/person.htm (1.03.2000 / 20.03.2000) auf. Mit historischem Schwerpunkt vgl. den jüngsten biographischen Sammelbericht in den Blättern für deutsche Landesgeschichte 1997 unter http://www.ndb.badw-muenchen.de/sammelbericht.htm (17.02.1999 / 20.02.2000) bzw. eine engere Auswahl speziell für die Frühe Neuzeit unter http://www.hab.de/kataloge/de/fnd/datenb.htm#Biograf.(20.03.2000 / 20.03.2000) und http://www.hab.de/kataloge/de/fnd/person.htm.(17.03.2000 / 20.03.2000) an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.
[10] http://www.historyguide.de (20.03.2000) und http://www.sfn.uni-muenchen.de (20.03.2000).

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